Das Heinweh des Walerjan Wróbel : Ein Sondergerichtsverfahren 1941/42 / aufgezeichnet von C. U. Schmick-Gustavus . - Berlin; Bonn : Dietz Nachf. . - 1986 . - 153 S. : Ill.
ISBN 3-8012-0117-1
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Am zweiten Tag unseres Gesprächs frage ich Herrn Piotrowski, weshalb er überhaupt ins KZ gekommen ist.
Wenn er in Auschwitz den roten Winkel trug, war er doch ein "Politischer" - warum?
"Ich bin verhaftet worden am 12. August 1940 in Warschau. Ich war mit der Straßenbahn unterwegs in der Innenstadt, auf dem Weg zur Arbeit. Ich war 17 und Bote bei einem Baugeschäft. Manche Leute in der Straßenbahn sind ausgestiegen und sagten: 'Da ist dicke Luft.' Aber ich bin weitergefahren. Es waren nur noch 300 Meter bis zur Arbeit. Ich hatte auch solch einen Ausweis: Arbeitskarte, kriegswichtiger Betrieb. Plötzlich hielt die Bahn. Die Straße war ganz abgesperrt von SS und SiPo, Sicherheitspolizei: 'Alles raus!' Wir mußten uns an die Hauswand stellen: 'Hände hoch!' Das war die erste große Razzia in Warschau, vordem gab es nur kleine Razzien, mit einem LKW. Die fingen vorher, na vielleicht 20 Leute und fuhren die weg. Aber jetzt sind es tausend. Einen Monat später war schon die zweite Razzia, dann die dritte: 5000 Leute - alle direkt nach Auschwitz. In dieser Zeit hatte ich ja noch keine Ahnung, was das ist: Konzentrationslager. Nie gehört, daß es sowas gibt.
Sie haben uns von der Straße weg erst einmal in solch eine große Reithalle gebracht, wo früher das Militär trainiert hatte. Da war schon alles vorbereitet. Oben auf der Galerie waren Maschinengewehre aufgestellt. Nach und nach mußten wir vortreten an drei Tische; da saßen Frauen mit Schreibmaschinen: Name? Geburtstag? Adresse? Alles wurde aufgeschrieben: Das war die erste Transportliste für Auschwitz. Ganz verschiedene Leute waren dabei: Arbeiter und Angestellte, Künstler und Priester, junge Leute und alte - alles durcheinander. Niemand wird aussortiert, nur wenn einer unter 14 ist, kann er gehen; aber es sind auch über Siebzigjährige dabei.
No, und dann gab das Diskussionen unter uns. Die einen sagten, daß wir zur Arbeit fahren; andere sagten, wir müssen Schützengräben ausheben; wieder andere: 'Die Deutschen haben Angst, daß am 15. August - das ist unser Nationalfeiertag mit der schwarzen Madonna von Tschenstochau - daß die Polen an diesem Tag eine Demonstration machen gegen die Besatzung. Deshalb so meinten die - sperren die überall ein paar hundert Leute ein, und das wird ruhig bleiben. Nach dem 15. schmeißen die dann alle wieder raus, und wir können nach Hause.' Das waren so die Meinungen."
Anmerkung: Der Text berichtet über das Gespräch des Autors mit dem zeitgleich mit Walerjan Wróbel im KZ Neuengamme internierten Herrn Piotrowski.